Succession of Generations

Wer die Serie mit den fragil anmutenden Skulpturen zum Thema Mutter und Kind von Annette Zappe kennt, der weiß, dass diese Momenten inniger menschlicher Verbundenheit nachspüren. Bei dieser langgestreckten Bronzeskulptur kombiniert die Künstlerin Mutter und Kind jedoch nicht auf natürliche Weise, vielmehr greift sie eine historische Bildform des Genres wieder auf: Das Kind steht auf dem Kopf der Mutter. Die Beziehung entsteht nicht in der Horizontalen, nicht in direktem Kontakt zum Gegenüber, sondern in der Vertikalen.

Diese Darstellungsform kann man bereits in archaischen Kulturen entdecken. In einem New Yorker Museum beispielsweise befindet sich eine kykladische Steinskulptur, bei der bereits vor rund viertausend Jahren eine in harmonischen Proportionen verkleinerte Kindfigur auf dem Kopf eines Erwachsenen steht. Auch in Afrika wurden Skulpturen aus Holz gefertigt, die durch das Aufeinanderstellen zweier Figuren die Generationenfolge verbildlichen. Werke, die Annette Zappe zu „Succession of Generations“ inspirierten.

Wie ein zartes Gewächs ragt die schlanke Doppelfigur aus Bronze in die Höhe. Die strenge Symmetrie der kykladischen und afrikanischen Idole wird bei ihr jedoch zu einer langgestreckten Doppel-S-Form, die mehr an einen Wachstumsprozess erinnert als an ein bloßes Statement ihres So-Seins. Zudem sind Brüche und Schnitte zu erkennen, wodurch angedeutet wird, dass der Übergang der Generationen in unserer Kultur nicht mehr nur durch Kontinuität gekennzeichnet ist, als vielmehr auch durch einschneidende Traditionsbrüche. Traditionsbrüche persönlicher, aber auch gesamtgesellschaftlicher Art.

Im Vergleich mit den historischen Bildwerken stellt sich die Frage, welcher Art diese Brüche sind. Oder umgekehrt gefragt: Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit sich eine Gesellschaft nicht nur materiell, sondern auch kulturell reproduzieren kann? – Trotz der Brüche streckt sich die Doppelfigur hinaus in den Raum als wollte sie sagen, dass der Prozess des Ãœbergangs zwar notwendigerweise mit Brüchen verbunden ist, aber dennoch im Innersten der „Succession of Generations“ eine unaufhaltsame Dynamik für deren Erhaltung und Fortentwicklung sorgt.