Zwischen hier und dort
Die Wanderer im Werk von Annette Zappe

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Im Zentrum der künstlerischen Arbeit von Annette Zappe steht die Auseinandersetzung mit geistig-spirituellen Zusammenhängen, die das Menschsein betreffen. Die Frage nach seinem Dasein, seinem Miteinander-Sein, nach seinen Grenzen und seinem Woher und Wohin ist die grundlegende Intention ihrer Plastiken. Auf eine sensible Weise spürt die Künstlerin den existenziellen und religiösen Grundfragen des Lebens nach.

Ein zentrales Thema in ihrem künstlerischen Werk bilden die Skulpturen mit jener schmalen, weit ausschreitenden Figur, die durch ihr langes Gewand eine fast dreieckige Silhouette erhält. Meist steht die Figur in Bezug zu einem eher abstrakt gehaltenen Raumelement. Bei der Bronze „Zwischen hier und dort“ strebt sie auf dem weit ausgespannten Bogen einer Brücke unbeirrbar ihrem Ziel entgegen. Die Mitte des Bogens, den das Leben zwischen hier und dort überspannt, hat sie bereits überschritten. Gerade sieht man sie in der zweiten Hälfte der Brücke wie in einem Augenblick des Innehaltens und dennoch mitten im Schreiten. So ist die Figur auch kein Individuum, sondern in ihrer Dreiecksform ein archaisches Zeichen für das Voranschreiten, das Hinüber-Schreiten. Das lange Gewand, offenbar keine Alltagskleidung, sondern eine fast sakrale Gewandung, deutet einmal mehr auf einen überzeitlichen, allgemein gültigen Kontext.

Auch bei der Skulptur „The step in-between“ bewegt sich die Figur nicht in einem leeren Raum. Sie schreitet nicht wie ein einsamer Wanderer fortwährend durch eine unbegrenzte Weite. Sie durchkreuzt vielmehr die Ebene, die ein stilisiertes Tor wie eine Zäsur quer zu ihr errichtet. Das Tor teilt den Raum gleichsam in zwei Hälften. Durch eine tĂĽrartige Ă–ffnung schreitet die Figur ĂĽber die Schwelle zwischen dem Raum hinter ihr und dem Raum, der sich vor ihr öffnet. Woher sie kommt und wohin sie geht, ist unbekannt. Wesentlich ist, was dazwischen – oder eben „in-between“ – liegt. Erst in der Kreuzung mit dem Tor wird sichtbar, dass der eine Raum verlassen und ein anderer betreten wird. Durch das Tor wird der Gang zum Ăśbergang und der Schritt zum Fortschritt. Oder anders: Das Tor trennt und verbindet zugleich. Das, was gegensätzlich erscheint, verhält sich zum jeweils anderen wie die andere Seite des einen Raumes. Und beide Seiten sind – trotz ihrer Unterschiedenheit – mit der jeweils anderen untrennbar verbunden.

Auch in der Arbeit „Zwischen nicht-mehr und noch-nicht“ durchschreitet die Figur einen Zwischenraum. Aus dem einen Haus ist sie herausgetreten, das andere hat sie noch nicht erreicht. Sie befindet sich „nicht mehr“ im einen Haus, aber auch „noch nicht“ im anderen. Die perspektivische Verzerrung der Häuser lässt vermuten, dass durchaus ein Geschehen jenseits des dreidimensionalen Raumes dazu gedacht werden kann. Das, worauf es ankommt, spielt sich, wie der Titel schon andeutet, dazwischen ab. In der Qualität ihres Schreitens oder Wanderns, in der Art ihres Unterwegs-Seins selbst scheint ihr Ziel zu liegen. Wesentlich ist der Moment, in dem sich das täglich immer neue und nie endende Voranschreiten des Lebens widerspiegelt. Wie lange dieses Dazwischen-Schreiten währt, bleibt offen, doch seine Begrenztheit mahnt zum achtsamen Umgang mit der Zwischenzeit.